Poesie wird fortwährend durch Sprache und Körper, durch Produktion und Rezeption hergestellt. In der Pandemie jedoch sind Performances, Lesungen, Konzerte, Diskussionen nicht mehr erlebbar. Besteht nicht die Gefahr, dass die Lyrik aus dem kollektiven Bewusstsein verschwindet, wenn sie nicht gemeinsam gehört, besprochen, unterrichtet, übersetzt und weitergeschrieben wird? Wo kann man heute die Stimme und die Stille der Lyrik hören? Wo gibt es runde Tische, an denen über Mehrsprachigkeit, Musikalität der Sprache und ihre Übersetzbarkeit diskutiert wird?

Performance mit den DichterInnen Yoko Tawada (JPN/DEU) | Marion Poschmann (DEU) | Ursula Krechel (DEU) | Ulf Stolterfoht (DEU) | Jan Wagner (DEU) | Tanz: Yui Kawaguchi (JPN/DEU) | Musik: Aki Takase (JPN/DEU) | Installation: Chiharu Shiota (JPN/DEU)

Wenn kein Austausch mehr stattfindet, verlieren wir allmählich die Vielfalt der Gegenwart und die der Vergangenheit aus dem Blick. Die Toten haben nichts mehr zu sagen, vernachlässigte Ecken der Großstadt stehen versunken im Schatten, traurige Menschen werden ausgesperrt und die fernen Länder rücken weiter in die Ferne. Wir müssen das Abwesende wieder präsent machen. Für die Vergegenwärtigung des Abwesenden, das unserem Leben nicht fehlen kann, brauchen wir die Leibhaftigkeit der Sprache. Wir brauchen Poesie.

Die Künstlerin Chiharu Shiota bat Menschen in unterschiedlichen Ländern, ihre Wünsche auf rote Zettel zu schreiben und nach Berlin zu schicken. Diese Wünsche der Abwesenden befestigte sie an zahlreichen Fäden, die oben und unten die Nähe und die Ferne miteinander verbinden. Die DichterInnen Marion Poschmann, Ursula Krechel, Ulf Stolterfoht, Jan Wagner und Yoko Tawada lesen ihre Texte in dieser Installation, in den Wünschen der Abwesenden. Die Pianistin Aki Takase und die Tänzerin Yui Kawaguchi reagieren auf diese Poesie und interagieren mit ihr, so dass die Kunstformen, die in der Pandemiezeit getrennt sind, wieder zusammenkommen.

Die Aufnahmen zum Film fanden im Atelier von Chiharu Shiota statt, dort, wo Kunst produziert wird, und sie wird von der Produktionsstätte in die Privatsphären des Publikums gesendet.

Performance auf Deutsch.  

Kuration: Yoko Tawada

Projektleitung: Jutta Büchter

Mit den DichterInnen Gerhard Falkner Autor, Berlin | Kerstin Hensel Autorin, Berlin | Uwe Kolbe Autor, Dresden | Marion Poschmann Autorin, Berlin | Moderation: Meike Feßmann Literaturkritikerin, Berlin

Vier deutsche DichterInnen aus Ost- und Westdeutschland sprechen über „ihren“ Hölderlin, über sein Nachwirken innerhalb der deutschen Dichtungstradition, insbesondere die unterschiedliche Wertschätzung, die ihm im West- und Ostteil des geteilten Deutschlands entgegengebracht wurde. Wie sah man Hölderlin in der BRD, welche Möglichkeiten der künstlerischen Anbindung ergaben sich für eine junge Dichtergeneration? Warum stand für die Sächsische Dichterschule in der DDR gerade der Oden-Dichter Hölderlin im Zentrum der Aufmerksamkeit und wie konnte ausgerechnet die antikisierende Formensprache zu einem Instrument der Subversion werden?

Die Veranstaltungsreihe Komm! Ins Offene wird gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie dem Literature Translation Institute of Korea (LTI Korea). Mit freundlicher Unterstützung von Literaturport